Rosa Winkel - Die Verfolgung Homosexueller im Nationalsozialismus
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Erich Ebermayer

Rechtsanwalt und Schriftsteller

Erich Ebermayer, geboren am 14.9.1900 in Bamberg als Sohn des Reichsgerichtsrates und Oberreichsanwaltes Dr. Ludwig Ebermayer, wächst in Leipzig auf. Nach dem Krieg studiert er Jura, 1922 promoviert er. Ebermayer arbeitet zunächst als Rechtsanwalt, konzentriert sich aber zunehmend auf seine Tätigkeit als Schriftsteller.

In den 20er Jahren veröffentlicht Ebermayer verschiedene Bücher, in denen es auch um Homosexualität geht. Er ist mit dem Reformpädagogen Gustav Wyneken befreundet und engagiert sich für die von Wyneken gegründete Freie Schulgemeinde Wickersdorf. Nachdem Wyneken die Schulleitung wegen des Vorwurfs angeblich sexueller Übergriffe – er hatte Schüler nackt umarmt – aufgeben muss, verarbeitet Ebermayer die Ereignisse in dem Roman "Kampf um Odilienberg".

Im "Dritten Reich" schwankt Ebermayer zwischen Karrierismus und innerer Distanz. Seine familiären Beziehungen zur NS-Führung – der Chef der Kanzlei des Führers Pilipp Bouhler und Reichsminister Fritz Todt sind seine Cousins – sichern ihm einen privilegierten Status, den er auch für Reisen ins Ausland nutzt, bei denen er Emigranten wie Thomas Mann besucht. Da er, wie die Sicherheitspolizei notiert, "seinem Äußeren und seinem ganzen Wesen nach ein typischer Vertreter solcher [homosexueller] Kreise" sei, kommt es allerdings wiederholt zu "Ermittlungen über E.". Einige seiner Schriften werden wegen "homosexuellen Inhaltes verboten". Gleichwohl erhält Ebermayer zahlreiche Aufträge für Drehbücher, von denen er gut lebt.

Erich Ebermayer
Erich Ebermayer im Jahr 1927
Bildquelle: Literaturarchiv Monacensia

Mit seinem Freund Ernst Max Hacke (Pseudonym Peer Baedeker) lebt Ebermayer weitgehend unbehelligt zusammen. Nach der Ermordung Röhms notiert er am 1. Juli 1934 in seinem Tagebuch, „lähmendes Entsetzen“ habe ihn erfasst: „Was ist gestern geschehen? Was geschieht morgen? Welche Mordfurie rast durch das Land? Kann sie nicht jeden jede Minute packen?“ Als er und sein Freund dessen Neffen am Bahnhof abholen, werden „die Liebkosungen des Jungen schnell“ abgebrochen: „Einige seit gestern ‚aufgeklärte‘ Bürger könnten vielleicht Anstoß nehmen. Und in Naumburg an der Saale erschossen zu werden, wäre doch ärgerlich ...“

1936 wird Ebermayer in einem Strafverfahren nach § 175 "staatspolizeilich vernommen", was er in seinen Memoiren beschönigt. Während sich aus Archivmaterial ergibt, dass er als Beschuldigter vernommen wurde, schreibt Ebermayer 1966, er sei als der ehemalige Rechtsanwalt eines homosexuellen Paares befragt worden. Ebermayer bestreitet damals die Vorwürfe – "das Gegenteil" kann "ihm nicht nachgewiesen werden". Seine späteren Bemühungen, in den "Ehrenrat des deutschen Films" berufen zu werden, scheitern dann aber an "seinen annormalen [sic!] Neigungen".

Nach 1945 arbeitet Ebermayer wieder als Rechtsanwalt und Schriftsteller. Auch als Drehbuchautor kann er wieder Fuß fassen, überdies wird er Präsident des Verbandes Deutscher Bühnenschriftsteller. Eine 1947 eingegangene Ehe wird 1949 wieder geschieden. Später adoptiert er zwei junge Männer, die auf dem von ihm 1939 erworbenen Schloss Kaibitz aufwuchsen. Ebermayer stirbt am 22.9.1970 bei einem Aufenthalt in seinem Landhaus in Terracina bei Rom.

Literaturtipps:

Erich Ebermayer: Denn heute gehört uns Deutschland … Persönliches und politisches Tagebuch von Erich Ebermayer von der Machtergreifung bis zum 31. Dezember 1935. Hamburg/Wien 1959: Zsolnay.

Erich Ebermayer: "…und morgen die ganze Welt". Erinnerungen an Deutschlands dunkle Zeit. Bayreuth 1966: Hestia.

Erich Ebermayer: Eh ich's vergesse ...: Erinnerungen an Gerhart Hauptmann, Thomas Mann, Klaus Mann, Gustaf Gründgens, Emil Jannings und Stefan Zweig. Herausgegeben von Dirk Heißerer. München 2005: Langen-Müller.

Alexander Zinn: »Aus dem Volkskörper entfernt«? Homosexuelle Männer im Nationalsozialismus.
Frankfurt am Main 2018: Campus. Link zum Buchtipp

© Alexander Zinn 2017