Rosa Winkel - Die Verfolgung Homosexueller im Nationalsozialismus
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Gustaf Gründgens

Schauspieler und Intendant

Gustav Heinrich Arnold Gründgens wird am 22.12.1899 in Düsseldorf geboren. Nach Schulabbruch und kaufmännischer Lehre wird Gründgens im Herbst 1917 zum Militär einberufen. Unter Vortäuschung von Bühnenerfahrung kommt er an ein Fronttheater, dessen Leitung er 1918 übernimmt. Nach dem Krieg studiert er an der Hochschule für Bühnenkunst des Schauspielhauses Düsseldorf. In den 20er Jahren ist er an zahlreichen deutschen Theatern als Schauspieler und Regisseur tätig, seit 1928 an Max Reinhardts Deutschem Theater und seit 1932 am Preußischen Staatstheater in Berlin. 1934 wird er zum Intendanten des Staatlichen Schauspielhauses und zum "Staatsschauspieler" ernannt.

Als die Gestapo im Herbst 1934 beginnt, gegen Homosexuelle vorzugehen, gerät auch Gustaf Gründgens in Bedrängnis. Nach einer Meldung des Pariser Tageblattes soll er sogar „wegen seiner altbekannten Veranlagung vorübergehend festgenommen“ worden sein. Eine Verhaftung ist zwar nicht zu belegen, offenbar hält Gründgens eine solche im Dezember 1934 aber nicht für ausgeschlossen. Er entschließt sich, in die Offensive zu gehen und schickt dem Generalintendanten Tietjen am 28. Dezember ein Rücktrittsgesuch, dessen eigentlicher Adressat der preußische Ministerpräsident Hermann Göring gewesen sein dürfte:

Gustaf Gründgens
Gustaf Gründgens in den 30er Jahren
Bildquelle: Bundesarchiv, Bild 146-1998-029-10
Fotograf: unbekannt

„Der einzige zwingende Grund sind die wiederholten Aktionen gegen eine bestimmte Gruppe von Menschen, mit denen ich mich keineswegs identifiziere, mit denen man mich aber identifiziert.“ Es verrät einiges über die damalige Situation, dass sich Gründgens zu einem solchen Schritt genötigt sieht, um sein Privatleben durch Göring, dem die Gestapo formell noch untersteht, vor dem Zugriff Himmlers schützen zu lassen. Und Gründgens' Rechnung geht auf: das Demissionsgesuch wird offenbar abgelehnt und Göring stellt seinen Intendanten fortan unter sein persönliches Protektorat.

Doch Gründgens ist weiterhin gefährdet. Während Göring seine schützende Hand über ihn hält, erregt seine Veranlagung bei Himmler, Rosenberg, Goebbels und Hitler immer wieder Missfallen. Im Frühjahr 1936 kursieren erneut Gerüchte über seine Homosexualität; wie Gründgens meint, werden sie von Goebbels persönlich in Umlauf gebracht. Tatsächlich erregt sich dieser in seinem Tagebuch immer wieder über Gründgens. So etwa im Januar 1938: "Dabei ist der ganze Gründgens-Laden schwul. Ich verstehe da Göring nicht." Als der Völkische Beobachter Gründgens am 3. Mai 1936 vorwirft, seine Schauspielkunst "mit dekadent-morbider Eitelkeit, in der Nachfolge Oskar Wildes" zu betreiben, empfindet dieser das als "ungeheuerlichen Angriff". Noch am selben Tag reist Gründgens mit dem Nachtzug nach Basel, in einem Brief an Göring teilt er mit, er sei emigriert. Göring ruft ihn in Basel an und bewegt ihn zur Rückkehr. Am 6. Mai werden ihm die verhafteten Redakteure des Völkischen Beobachters vorgeführt, um Abbitte zu leisten.

Doch auch dem beim Volk so beliebten Gründgens werden Kompromisse abverlangt. Seine Hochzeit mit der Schauspielerin Marianne Hoppe, die er wenig später, im Juni 1936, feiert, gehört sicherlich dazu. Der Volksmund kommentiert die Liaison folgendermaßen:"Hoppe hoppe Gründgens; Die kriegen keine Kindgens; Und wenn die Hoppe Kindgens kriegt; Dann sind sie nicht von Gründgens nicht".

Tatsächlich hat Gründgens auch nach seiner Eheschließung diverse Liebhaber. Und er nutzt seine herausgehobene Stellung, um diese zu schützen. Als sein Freund und Sekretär Erich Zacharias-Langhans im Januar 1938 gemeinsam mit zwei homosexuellen Freunden verhaftet wird, kann Gründgens bei Göring erreichen, dass Zacharias-Langhans nicht ins KZ eingewiesen sondern lediglich des Landes verwiesen wird. Auch für zahlreiche Schauspieler jüdischer Abstammung setzt sich Gründgens erfolgreich ein.

Nach der Befreiung 1945 wird Gründgens von den Russen verhaftet und bis 1946 im Speziallager Jamlitz inhaftiert. Nach seiner Freilassung spielt er zunächst am Deutschen Theater in Berlin, seit 1947 ist er in Düsseldorf als Generalintendant der Städtischen Bühnen, ab 1955 dann des Schauspielhauses tätig. Gründgens stirbt in der Nacht vom 6. zum 7. Oktober 1963 in Manila auf den Philippinen an einer Überdosis Schlaftabletten. Seine letzte Notiz für seinen Geliebten Jürgen Schleiß lautet: „Ich habe glaube ich zu viel Schlafmittel genommen, mir ist ein bischen [sic] komisch, lass mich ausschlafen“.

Literaturtipps:

Thomas Blubacher: Gustaf Gründgens. Biographie. Leipzig 2013: Henschel.

Alexander Zinn: Die soziale Konstruktion des homosexuellen Nationalsozialisten. Zu Genese und Etablierung eines Stereotyps. Frankfurt am Main 1997: Peter Lang.

Alexander Zinn: »Aus dem Volkskörper entfernt«? Homosexuelle Männer im Nationalsozialismus.
Frankfurt am Main 2018: Campus. Link zum Buchtipp

© Alexander Zinn 2017