Der einzige
zwingende Grund sind die wiederholten Aktionen gegen eine bestimmte
Gruppe von Menschen, mit denen ich mich keineswegs identifiziere,
mit denen man mich aber identifiziert. Es verrät einiges
über die damalige Situation, dass sich Gründgens zu einem
solchen Schritt genötigt sieht, um sein Privatleben durch Göring,
dem die Gestapo formell noch untersteht, vor dem Zugriff Himmlers
schützen zu lassen. Und Gründgens' Rechnung geht auf:
das Demissionsgesuch wird offenbar abgelehnt und Göring stellt
seinen Intendanten fortan unter sein persönliches Protektorat.
Doch Gründgens
ist weiterhin gefährdet. Während Göring seine schützende
Hand über ihn hält, erregt seine Veranlagung bei Himmler,
Rosenberg, Goebbels und Hitler immer wieder Missfallen. Im Frühjahr
1936 kursieren erneut Gerüchte über seine Homosexualität;
wie Gründgens meint, werden sie von Goebbels persönlich
in Umlauf gebracht. Tatsächlich erregt sich dieser in seinem
Tagebuch immer wieder über Gründgens. So etwa im Januar
1938: "Dabei ist der ganze Gründgens-Laden schwul. Ich
verstehe da Göring nicht." Als der Völkische Beobachter
Gründgens am 3. Mai 1936 vorwirft, seine Schauspielkunst "mit
dekadent-morbider Eitelkeit, in der Nachfolge Oskar Wildes"
zu betreiben, empfindet dieser das als "ungeheuerlichen Angriff".
Noch am selben Tag reist Gründgens mit dem Nachtzug nach Basel,
in einem Brief an Göring teilt er mit, er sei emigriert. Göring
ruft ihn in Basel an und bewegt ihn zur Rückkehr. Am 6. Mai
werden ihm die verhafteten Redakteure des Völkischen Beobachters
vorgeführt, um Abbitte zu leisten.
Doch auch dem
beim Volk so beliebten Gründgens werden Kompromisse abverlangt.
Seine Hochzeit mit der Schauspielerin Marianne Hoppe, die er wenig
später, im Juni 1936, feiert, gehört sicherlich dazu.
Der Volksmund kommentiert die Liaison folgendermaßen:"Hoppe
hoppe Gründgens; Die kriegen keine Kindgens; Und wenn die Hoppe
Kindgens kriegt; Dann sind sie nicht von Gründgens nicht".
Tatsächlich
hat Gründgens auch nach seiner Eheschließung diverse
Liebhaber. Und er nutzt seine herausgehobene Stellung, um diese
zu schützen. Als sein Freund und Sekretär Erich Zacharias-Langhans
im Januar 1938 gemeinsam mit zwei homosexuellen Freunden verhaftet
wird, kann Gründgens bei Göring erreichen, dass Zacharias-Langhans
nicht ins KZ eingewiesen sondern lediglich des Landes verwiesen
wird. Auch für zahlreiche Schauspieler jüdischer Abstammung
setzt sich Gründgens erfolgreich ein.
Nach der Befreiung
1945 wird Gründgens von den Russen verhaftet und bis 1946 im
Speziallager Jamlitz inhaftiert. Nach seiner Freilassung spielt
er zunächst am Deutschen Theater in Berlin, seit 1947 ist er
in Düsseldorf als Generalintendant der Städtischen Bühnen,
ab 1955 dann des Schauspielhauses tätig. Gründgens stirbt
in der Nacht vom 6. zum 7. Oktober 1963 in Manila auf den Philippinen
an einer Überdosis Schlaftabletten. Seine letzte Notiz für
seinen Geliebten Jürgen Schleiß lautet: Ich habe
glaube ich zu viel Schlafmittel genommen, mir ist ein bischen [sic]
komisch, lass mich ausschlafen.
Literaturtipps:
Thomas Blubacher:
Gustaf Gründgens. Biographie. Leipzig 2013: Henschel.
Alexander Zinn:
Die soziale Konstruktion des homosexuellen Nationalsozialisten.
Zu Genese und Etablierung eines Stereotyps. Frankfurt am Main
1997: Peter Lang.
Alexander Zinn:
»Aus dem Volkskörper entfernt«? Homosexuelle
Männer im Nationalsozialismus.
Frankfurt am Main 2018: Campus. Link
zum Buchtipp
|