Nummer eins,
die Liebe. Die Texte sind gespickt mit sexuellen Anspielungen. Und
auch mit seiner Homosexualität kokettiert OMontis auf
der Bühne gerne. Zum Beispiel beim Vortrag der Parodie Ramona
Zündloch, einer Ballade aus dem Großstadtsumpf.
OMontis leitet sie mit einem theatralischen Wink zu seinem
Pianisten ein: Beginne, Knabe! Und im Stück Was
hast du für Gefühle, Moritz? fragt er: Sind
es kühle oder schwüle, Moritz? Zwei seiner Lieder,
die er 1928 aufnimmt, fallen aus dem Rahmen. In Kaddisch
und Ghetto geht es um Not und Vertreibung einer jüdischen
Familie in Polen.
Not und Vertreibung
kennzeichnen auch bald Paul OMontis Leben. Als die Nationalsozialisten
1933 die Macht übernehmen, hat er den Zenit seiner Karriere
bereits überschritten. Die Berliner Szene scheint seiner allzu
oft gehörten Bravourstücke überdrüssig,
die Wirtschaftskrise lässt den Absatz seiner Schallplatten
einbrechen. Im Oktober 1933 tritt er noch einmal bei den Scala-Festspielen
auf. Den Nazis ist diese Veranstaltung schon lange ein Dorn im Auge.
Als Festspiele der anrüchigen Figuren verunglimpft
sie Joseph Goebbels. Ende 1933 zieht Paul OMontis die Konsequenzen
und emigriert nach Wien. 1935 wird er in Deutschland offiziell mit
einem Auftrittsverbot belegt.
Im Wiener Exil
wird es ihm ähnlich ergangen sein wie den meisten deutschen
Emigranten. Ihrer Heimat und ihrer Besitztümer beraubt, bei
ihrer Arbeit auf die deutsche Sprache angewiesen, versuchen sie
sich im austrofaschistischen Staat mehr schlecht als recht über
Wasser zu halten. Paul OMontis hat bisweilen Engagements im
Ronacher Varieté und am Wiener Volkstheater, auch in der
Schweiz und den Niederlanden tritt er auf. Eine Schallplatte kann
er noch veröffentlichen.
Als Österreich
im Jahr 1938 seinen Anschluss an das Dritte Reich feiert,
flieht Paul OMontis nach Prag. Der Fügnerplatz 6 ist
seine letzte amtlich verzeichnete Adresse. Nach der Besetzung der
Tschechoslowakei durch deutsche Truppen im März 1939 gerät
OMontis in die Fänge der Nationalsozialisten. Er wird
verhaftet und nach Zabgreb, später nach Lodz verschleppt. Über
die Hintergründe dieser Irrfahrt ist ebenso wenig bekannt wie
darüber, mit welcher Begründung er verhaftet wurde. Ein
Zusammenhang mit seiner Homosexualität ist aber sehr wahrscheinlich.
Rund ein Jahr
später, am 30.5.1940, wird OMontis schließlich
unter der Häftlingsnummer 25131 in das Konzentrationslager
Sachsenhausen eingeliefert. Als Häftlingskategorie wird in
den Lagerakten "Schutzhäftling § 175" notiert.
Eine einschlägige Vorstrafe ist nicht bekannt, aber auch nicht
ausgeschlossen, denn Homosexuelle werden in der Regel erst nach
Verbüßung einer Haftstrafe wegen Verstoßes gegen
den § 175 ins Konzentrationslager überstellt. Inwieweit
auch politische Gründe eine Rolle spielen für OMontis
KZ-Einweisung, zum Beispiel sein subversiver Witz, bleibt offen.
Paul O'Montis
wird in Block 35 eingewiesen, der zur sogenannten Isolierung
gehört. Dabei handelt es sich um sechs Häftlingsbaracken,
die vom restlichen Lager mit einem Zaun abgetrennt sind. Neben Homosexuellen
werden hier auch so genannte Bibelforscher, also Zeugen
Jehovas gefangengehalten. Paul O'Montis ist nun dem täglichen
SS-Terror ausgeliefert, der in der Isolierung ganz besonders grausam
ist. Die Blockführer der SS, oft aber auch die Blockältesten,
bei denen es sich um Häftlinge handelt, erproben immer neue
Quälereien und Folterpraktiken.
Besonders perfide
sind die angekündigten Morde, ein Schicksal, das auch Paul
OMontis trifft. Wenn der Blockführer beim Appell sagt:
Dieses Schwein möchte ich morgen nicht mehr sehen,
ist das das Todesurteil. Die Blockältesten morden mitunter
aber auch aus eigenem Antrieb. Aus einer eidesstattlichen Erklärung
des ehemaligen politischen Häftlings Robert Brink ist bekannt,
was Paul OMontis erleben musste:
Im Block
35 befanden sich die Homosexuellen. [...] Der Blockälteste
[...] mordete dauernd Leute in seinem Block. Weder die Lagerleitung
noch die SS in der Isolierung boten diesem Treiben Einhalt. Mir
als Lagerältestem der Isolierung war es von dem Leiter der
Isolierung, Bugdalle, wie auch von den SS-Leuten Knittler und Ficker
wiederholt streng untersagt worden, mich um diese Angelegenheiten
zu kümmern. Eines Sonntagnachmittags kam der bekannte Vortragskünstler,
genannt Paul Remontes, zu mir und bat mich um meinen Schutz, da
ihm von Seiten des Blockältesten Ruppel angedroht worden war,
er würde in der kommenden Nacht erledigt werden. Ich besprach
die Sache mit meinem Vertrauten und Stubenältesten Paul Bonnemann.
Bis in die Nacht haben wir beide heimlich zusammengesessen und beratschlagt,
wie dem Burschen sein mörderisches Handwerk gelegt werden könne.
Das Ergebnis war folgendes: Unter eigener Lebensgefahr ging ich
am nächsten Tag, durch den in der Nacht tatsächlich erfolgten
Mord an Paul Remontes erbittert und ermutigt, zu Bugdalle hin.
Robert Brink
gelingt es tatsächlich, die Ablösung Ruppels zu erreichen.
Für Paul O'Montis jedoch ist dies aber keine Hilfe mehr. Im
Sterberegister des Standesamtes Oranienburg findet sich als Eintrag
3312: Paul Wendel, 17.7.40, 2 Uhr. Freitod durch Erhängen.
Literaturtipp:
Ralf Jörg
Raber: ... elegant gekleidet und graziös in seinen Bewegungen.
Der Sänger Paul O'Montis. S. 207-210 in: Müller / Sternweiler:
Homosexuelle Männer im KZ Sachsenhausen. Berlin 2000:
Rosa Winkel.
Joachim Müller:
Wohl dem der hier nur eine Nummer ist. Die Isolierung
der Homosexuellen. S. 89-108 in: Müller/Sternweiler: Homosexuelle
Männer im KZ Sachsenhausen. Berlin 2000: Rosa Winkel.
Alexander Zinn:
»Aus dem Volkskörper entfernt«? Homosexuelle
Männer im Nationalsozialismus.
Frankfurt am Main 2018: Campus. Link
zum Buchtipp
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