Die hat
immer viele schwule Jungens eingeladen bei sich. Darunter war ein
sehr junger Graf aus gutem Haus. Dessen Großvater war ein
reicher Industrieller, Kramer-Kirdorf hieß er, der Minen in
dem Kohlengebiet besaß und der Hitler finanzierte ein
Kommerzienrat. Und der Enkel machte sich an mich heran, warum weiß
ich nicht. Tatsächlich
wird der kaufmännische Lehrling Klaus Kramer-Kirdorf von Bentheim
denunziert. Am 6.12.1934 wird er von der Gestapo festgenommen und
bis 1.2.1935 im KZ Lichtenburg inhaftiert. Zwei Tage nach seiner
Verhaftung legt Kramer-Kirdorf ein umfassendes Geständnis ab.
Dabei nennt er offenbar auch die Namen einiger Freunde. Vor dem
Haftrichter widerruft Kramer-Kirdorf sein Geständnis Anfang
Februar dann teilweise.
Kurt von Ruffin
führt seine Verhaftung auf die Aussage Kramer-Kirdorfs zurück,
Ich wurde denunziert von einem Freund, den sie so geschlagen
hatten, dass er verschiedene Leute angab. Deshalb kamen die beiden
Kommissare zu mir und sagten, sie müssten mich für eine
Vernehmung mitnehmen, es wäre nur für kurze Stunden.
Nach seiner
Verhaftung ist Kurt von Ruffin über Weihnachten zunächst
im KZ Columbiahaus inhaftiert Später wird auch er in das Konzentrationslager
Lichtenburg verlegt. Über
die dortigen Zustände berichtet er: Unten im Hof musste
man dann erleben, dass Transvestiten, die gebracht wurden, die zwangsweise
als Frauen reisen mussten, dann vor allen ausgekleidet und geprügelt
wurden, gestoßen und geschunden, bis sie nackt waren. Die
Bonzen, die SS-Schergen haben sich an der Verzweiflung dieser Menschen
geweidet. Einer von ihnen ich weiß nicht, wie er hieß
wurde zur Strafe in die Latrine, die unten war, wurde mit
dem Kopf in die Kloake [gestoßen] und erstickte da.
Eine Darstellung, die nicht übertrieben sein dürfte. Gewalttätige
Übergriffe und Todesfälle in den Konzentrationslagern
Columbiahaus und Lichtenburg beschäftigen im Frühjahr
1935 auch das Reichsjustizministerium.
In verschiedenen
Interviews erklärt Kurt von Ruffin später, er sei ein
Dreivierteljahr im KZ inhaftiert gewesen. Diese Angabe erscheint
allerdings zweifelhaft, denn am 13. April 1935 spielt er wieder
am Deutschen Theater. Offenbar ist es der Intendant des Theaters,
Heinz Hilpert, der sich für seine Entlassung stark macht. 1935
und 1936 spielt er in fünf Filmen mit, danach erhält er
angeblich ein Filmverbot. Seit 1941 spielt Ruffin dann am Theater
am Nollendorfplatz. 1942 darf er in der Heinz-Rühmann-Komödie
Ich vertraue Dir meine Frau an mitwirken.
Nach 1945 ist
Ruffin an der Komischen Oper, am Theater am Kurfürstendamm,
am Renaissance-Theater und an den Staatlichen Schauspielbühnen
Berlin tätig. Auch wirkt er in zahlreichen Filmen mit. In Rosa
von Praunheims Dokumentarfilm Stolz und schwul berichtet
er über seine Erlebnisse im KZ Lichtenburg, ebenso in der Fernsehreportage
Wir hatten ein großes A am Bein.
Kurt von Ruffin
stirbt am 14.11.1996 in Berlin.
Literaturtipps:
Alexander Zinn:
Die soziale Konstruktion des homosexuellen Nationalsozialisten.
Zu Genese und Etablierung eines Stereotyps. Frankfurt am Main
1997: Peter Lang.
Alexander Zinn:
»Aus dem Volkskörper entfernt«? Homosexuelle
Männer im Nationalsozialismus.
Frankfurt am Main 2018: Campus. Link
zum Buchtipp
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