Rosa Winkel - Die Verfolgung Homosexueller im Nationalsozialismus
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Kurt von Ruffin

Sänger und Schauspieler

Kurt von Ruffin wird am 28.9.1901 in München geboren. Nach dem Abitur studiert er Gesang in München, Salzburg und Mailand. Seit 1927 an den Opernhäusern von Magdeburg, Mainz und Nürnberg ist er ab 1930 am Berliner Metropoltheater engagiert. Er spielt in Operetten und Revuen am Theater des Westens und wirkt in einer Reihe von Operettenfilmen mit.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten hat Ruffin auch Kontakte zu der homosexuellen Entourage des SA-Chefs Ernst Röhm. So berichtet er, bei einem „Schlagerabend“ mit SA-Männern gesungen zu haben. Auch Röhm sei dabei gewesen: „Ich musst‘ einmal bei einem Abend bei denen dort was singen. Das hab ich auch getan. Und dabei hat er mich dann, beim Singen hat er mich in den Po gezwickt.“

Nach der Ermordung Röhms gerät Kurt von Ruffin im Dezember 1934 ins Visier der Gestapo. Die Verhaftung von Erwin Keferstein und die Denunziationen der Gräfin Bentheim werden auch ihm zum Verhängnis. Später berichtet er über Bentheim und seine Verhaftung Folgendes:

Kurt von Ruffin

Sammelbild der Dresdner Zigarettenfabrik Bergmann
Bildquelle: Haus Bergmann Farb-Filmbilder 156

„Die hat immer viele schwule Jungens eingeladen bei sich. Darunter war ein sehr junger Graf aus gutem Haus. Dessen Großvater war ein reicher Industrieller, Kramer-Kirdorf hieß er, der Minen in dem Kohlengebiet besaß und der Hitler finanzierte – ein Kommerzienrat. Und der Enkel machte sich an mich heran, warum weiß ich nicht“. Tatsächlich wird der kaufmännische Lehrling Klaus Kramer-Kirdorf von Bentheim denunziert. Am 6.12.1934 wird er von der Gestapo festgenommen und bis 1.2.1935 im KZ Lichtenburg inhaftiert. Zwei Tage nach seiner Verhaftung legt Kramer-Kirdorf ein umfassendes Geständnis ab. Dabei nennt er offenbar auch die Namen einiger Freunde. Vor dem Haftrichter widerruft Kramer-Kirdorf sein Geständnis Anfang Februar dann teilweise.

Kurt von Ruffin führt seine Verhaftung auf die Aussage Kramer-Kirdorfs zurück, „Ich wurde denunziert von einem Freund, den sie so geschlagen hatten, dass er verschiedene Leute angab. Deshalb kamen die beiden Kommissare zu mir und sagten, sie müssten mich für eine Vernehmung mitnehmen, es wäre nur für kurze Stunden.“

Nach seiner Verhaftung ist Kurt von Ruffin über Weihnachten zunächst im KZ Columbiahaus inhaftiert Später wird auch er in das Konzentrationslager Lichtenburg verlegt. Über die dortigen Zustände berichtet er: „Unten im Hof musste man dann erleben, dass Transvestiten, die gebracht wurden, die zwangsweise als Frauen reisen mussten, dann vor allen ausgekleidet und geprügelt wurden, gestoßen und geschunden, bis sie nackt waren. Die Bonzen, die SS-Schergen haben sich an der Verzweiflung dieser Menschen geweidet. Einer von ihnen – ich weiß nicht, wie er hieß – wurde zur Strafe in die Latrine, die unten war, wurde mit dem Kopf in die Kloake [gestoßen] und erstickte da.“ Eine Darstellung, die nicht übertrieben sein dürfte. Gewalttätige Übergriffe und Todesfälle in den Konzentrationslagern Columbiahaus und Lichtenburg beschäftigen im Frühjahr 1935 auch das Reichsjustizministerium.

In verschiedenen Interviews erklärt Kurt von Ruffin später, er sei ein Dreivierteljahr im KZ inhaftiert gewesen. Diese Angabe erscheint allerdings zweifelhaft, denn am 13. April 1935 spielt er wieder am Deutschen Theater. Offenbar ist es der Intendant des Theaters, Heinz Hilpert, der sich für seine Entlassung stark macht. 1935 und 1936 spielt er in fünf Filmen mit, danach erhält er angeblich ein Filmverbot. Seit 1941 spielt Ruffin dann am Theater am Nollendorfplatz. 1942 darf er in der Heinz-Rühmann-Komödie „Ich vertraue Dir meine Frau an“ mitwirken.

Nach 1945 ist Ruffin an der Komischen Oper, am Theater am Kurfürstendamm, am Renaissance-Theater und an den Staatlichen Schauspielbühnen Berlin tätig. Auch wirkt er in zahlreichen Filmen mit. In Rosa von Praunheims Dokumentarfilm „Stolz und schwul“ berichtet er über seine Erlebnisse im KZ Lichtenburg, ebenso in der Fernsehreportage „Wir hatten ein großes A am Bein“.

Kurt von Ruffin stirbt am 14.11.1996 in Berlin.


Literaturtipps:

Alexander Zinn: Die soziale Konstruktion des homosexuellen Nationalsozialisten. Zu Genese und Etablierung eines Stereotyps. Frankfurt am Main 1997: Peter Lang.

Alexander Zinn: »Aus dem Volkskörper entfernt«? Homosexuelle Männer im Nationalsozialismus.
Frankfurt am Main 2018: Campus. Link zum Buchtipp

© Alexander Zinn 2017